Newsletter März 2019
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Liebe Waldorfgemeinschaft in aller Welt,
nun hat unser seit langem erwartetes Jubiläumsjahr tatsächlich begonnen und wir freuen uns riesig darüber, es gemeinsam mit Euch allen zu feiern. Täglich erreichen uns Nachrichten und Anfragen dazu von nah und fern, worüber wir wirklich sehr dankbar sind, führt uns dies doch immer wieder aufs Neue die weltweite Verbundenheit vor Augen, die uns so am Herzen liegt.
Im heutigen Newsletter möchten wir Euch über den Fortgang der Projekte „Metamorphosen“ und „Drama: Wo ist der Mensch?“ informieren: Vor wenigen Wochen wurde das Gewinnerstück des Kompositionswettbewerbs „Procession-Contraction: Metamorphosis“ in der Rudolf Steiner Schule Hamburg-Wandsbek uraufgeführt – eine große Herausforderung für alle Beteiligten und ein ganz besonderes Erlebnis für die Zuhörer*innen. Fast zeitgleich hat die Jury des Dramawettbewerbs sich für drei Preisträgerinnen entschieden, die am vergangenen Mittwoch, dem 6. März 2019, bei der Preisverleihung im Logensaal der Hamburger Kammerspiele feierlich verkündet wurden (mehr dazu in dieser Pressemitteilung).
Auch die Planungen rund um das große Festival im September gehen weiter und wer noch ein paar der begehrten Tickets für den internationalen Festakt im Berliner Tempodrom am 19. September 2019 bekommen möchte, kann sich hier informieren.
Bei den Schulprojekten stellen wir Euch dieses Mal eine bunte Auswahl aus aller Welt vor, die von einem weltweiten Lehreraustausch und dem internationalen Jugendprojekt für Eurythmie, Chor und Orchester „Connect“ über das Waldorf-Festival im Schloss Hamborn bis hin zu den „Hermes Olympischen Spielen“ sowie dem Projekt „Beach Cleaner“ reicht.
Außerdem könnt Ihr ein Porträt der höchstgelegene Schule der Welt lesen, der Escuela Nina Pacha in Quito (Ecuador), wo die Luft für Durchreisende schon mal recht dünn werden kann. Deutlich andere Luftverhältnisse herrschen in Bangkok und Buenos Aires vor, wo in diesem Jahr großartige internationale pädagogische Tagungen stattfinden werden. Und dann wollen wir Euch darauf aufmerksam machen, dass die Online-Anmeldung für den internationalen Stuttgarter Kongress „Am Anfang steht der Mensch“ vom 7.-10. September im April beginnen wird. Sichert euch den Frühbucherrabatt für diesen Kongress mit 100 Arbeitsgruppen und vielen namhaften Referent*innen, Diskussionsforen und Vorträgen!
Vielleicht habt Ihr es schon gesehen? Der zweite Teil unseres Waldorf 100-Filmes „Learn to Change the World“ ist nun auch in drei Sprachen veröffentlicht und kann auf unserer Internetseite hier angeschaut werden. Für weitere Übersetzungsanfragen könnt Ihr Euch gerne an uns wenden.
Und zu guter Letzt möchten wir Euch darüber in Kenntnis setzen, dass ein neues deutsch-englisches Streaming-Portal für Lehrerbildung und Forschung online gegangen ist. Studierende und Wissenschaftler*innen aller Fachrichtungen, sowie Lehrer*innen haben ab sofort kostenlos die Möglichkeit, Praxisbeispiele aus der Klassenlehrerzeit an der Waldorfschule nach einer Registrierung hier anzuschauen.
Wir senden die herzlichsten Grüße in alle Himmelsrichtungen,
Euer Waldorf 100-Team
Kernprojekte – Famoser musikalischer Auftakt ins Jubiläumsjahr
Uraufführung der Waldorf-Komposition „Metamorphosen"
„Es ist nur sinnvoll, mit Schüler*innen etwas einzustudieren, was sie auch emotional erreicht“, sagte Sonja Zimowski, die der dreiköpfigen Jury angehört und an der Rudolf Steiner Schule Hamburg-Wandsbek Musiklehrerin ist. Und das tat es! Die Emotionalität war an diesem Abend bis in die letzte Reihe der vollbesetzten Aula spürbar und wurde vom Publikum mit viel Beifall erwidert. Dieser Abend war kein gewöhnliches Waldorfschulkonzert, sondern die Uraufführung der Gewinner-Komposition des Kernprojektes "Metamorphosen" und damit der musikalische Auftakt von Waldorf 100.
Famos und leidenschaftlich spielte das komplette Oberstufenorchester mit 136 Schüler*innen das durchaus sehr anspruchsvolle Gewinnerstück „Procession-Contraction: Metamorphosis“ des Waldorf 100-Kompositionswettbewerbs. Das Stück wurde komponiert von der 21-jährigen Haihui Zhang, Studentin der Manhattan School of Music, und trifft den Geist von Waldorf 100. So vereint die Musik die Erinnerung an das Vergangene und den Blick in die Zukunft. Der Dirigent Kolja Zimowski erklärte dem Publikum vorab lebhaft die Strukturen und Besonderheiten der Komposition und die Schüler*innen spielten das zentrale Motiv auf den unterschiedlichen Instrumenten, so dass die Hörer*innen sie bei der darauffolgenden Aufführung leichter wiedererkennen konnten.
Diese „ernste“ Musik der Gegenwart, die Elemente der Minimalmusik enthält, nur wenige Melodiebögen und Harmoniekonstrukte bietet, stellte für die Schüler*innen eine enorme Herausforderung dar, weil sie sich vorab nur schwer eine konkrete innere Vorstellung davon machen konnten, wie das Gesamtkunstwerk später einmal klingen soll.
Am Ende gab es für das Orchester Blumen und eine Urkunde vom Waldorf 100-Team für diese herausragende Leistung. Die Schüler*innen dürfen im weiteren Verlauf des Jahres auch noch ein zweites Mal die Zuhörer*innen begeistern: Am 13. September 2019 spielen sie „Metamorphosis“ zum großen Waldorf 100-Fest in der Hamburger Laeiszhalle vor noch größerem Publikum – dann wird auch die Komponistin Haihui Zhang vor Ort sein.
Für alle, die es bis dahin nicht abwarten können, gibt es hier in Kürze einen kleinen Mitschnitt der Aufführung!
Verschiedene Schulprojekte zum Mitmachen
Internationaler Pädagogenaustausch zu Waldorf 100
Das Jubiläumsjahr unserer Waldorfschulen nimmt die Rudolf Steiner Schule Berlin-Dahlem zum Anlass für einen interkulturellen, internationalen Pädagogen-Austausch: Wie wird die Waldorfpädagogik in anderen Kulturen umgesetzt? Wie gehen Lehrer und Erzieher in Ländern mit überwiegend anderen Religionen mit der religiösen Prägung der Waldorferziehung um? Welche neuen Ideen können unser aller Schulalltag auffrischen und inspirieren?
Anlässlich des Jubiläumsjahres kann sich ein solcher Erfahrungsaustausch in zahlreichen persönlichen Kontakten ergeben sowie die Möglichkeit von mehr Erkenntnis und Verständnis anderer „Waldorfkulturen“ eröffnen. Zudem trägt er zu wachsender Weltoffenheit und Toleranz bei, stärkt den internationalen Waldorfzusammenhang und birgt Aktualisierungsmöglichkeiten für die Umsetzung der Waldorfpädagogik. So könnte man sich zum Beispiel vorstellen, dass Frau X aus Istanbul Verse aus dem Koran mit einer 10. Klasse der Dahlemer Schule rezitiert, derweil Herr Y aus Berlin in Nairobi mit einer Klasse schmiedet, oder Herr Z aus Honolulu mit einer 8. Klasse Hula-Tänze einstudiert, während Frau Q aus Berlin in Sao Paulo Ernährungskunde anbietet. Solche Gedankenspiele lassen sich fortsetzen und machen Lust auf Abenteuer!
So können durch persönliche Kontakte und das Erleben des Alltags in Schulen anderer Kulturen neue Ideen entstehen und wir erhalten vielleicht eine Ahnung davon, wie vielfältig sich die Waldorfpädagogik in den nächsten 100 Jahren weiterentwickeln könnte!
Ein Austausch ist für mehrere Pädagog*innen möglich. Er findet für die deutschen Kolleg*innen zeitversetzt und für den Austauschpartner zeitgleich statt. Das Projekt soll von 2019 bis etwa 2022 laufen, der Austausch ist jeweils für je 3-4 Wochen geplant, Finanzierung von Flug und Unterkunft erfolgt über die Rudolf Steiner Schule Berlin-Dahlem.
Interessierte Kolleg*innen bewerben sich bitte schriftlich an der Schule. Eine Austauschschule kann auch vorgeschlagen werden. Alle Kolleg*innen im Team werden gebeten, die notwendigen Vertretungen mit zu unterstützen; Vertretungsmöglichkeiten sind der Bewerbung bitte beizufügen.
Alle am Austausch teilnehmenden Kolleg*innen sind für die Einarbeitung und Betreuung der ankommenden Kolleg*innen mitverantwortlich und die Austauschpartner*innen sollen die Möglichkeit einer privaten Unterkunft aus der Schulgemeinschaft haben. Auch Kolleg*innen anderer Schulen und Länder können sich bewerben, die Tauschpartner werden dann zusammengebracht. Bewerbungen mit dem Stichwort "Pädagogenaustausch" bitte per e-Mail an die Rudolf Steiner Schule Berlin-Dahlem senden.
CONNECT – internationales Jugendprojekt für Eurythmie, Chor und Orchester
Erstmals in 100 Jahren Waldorfschule werden die drei großen “Waldorfkünste” in einem gemeinsamen Jugendprojekt vereint. Über drei Wochen lang, vom 12. Juli bis zum 4. August 2019 werden sich mehr als 150 Jugendliche aus aller Welt frei in einem künstlerischen Prozess bewegen, der ebenso wichtig ist wie sein öffentlich präsentiertes Ergebnis: ein hochklassiges Bühnenprogramm mit mindestens zwei großen Aufführungen. Geplant sind u.a. Werke von Bach („Nun ist das Heil“), Brahms („Schicksalslied“) und Tschaikowsky („Ouvertüre Romeo und Julia“).
Die Teilnehmenden dürfen sich dabei auf ein Projekt mit herausragender künstlerischer und pädagogischer Qualität freuen, in dem die Künste gleichberechtigt nebeneinander stehen. Der Anspruch von CONNECT geht aber noch weiter: Durch das gemeinsame Tun von Künstler*innen, Organisierenden und Teilnehmenden und das sich daraus entwickelnde Verstehen des Anderen und der Kunst sollen wahre Begegnungen von Mensch zu Mensch stattfinden, die Verbindungen – auch über das Projekt hinaus – wachsen lassen. Die Teilnehmenden werden aktiv in den gestalterischen Arbeitsprozess eintauchen, sich einbringen, gefordert werden und im Austausch mitgestalten.
CONNECT verbindet also nicht nur Künste, sondern auch Menschen, Kulturen und Visionen. Weitere Infos und das Bewerbungsformular gibt es hier.
Das Waldorf-Woodstock im Jubiläumsjahr
Die Vorbereitungen für das große Waldorf-Festival in Schloss Hamborn (bei Paderborn) laufen auf Hochtouren. Vom 7. bis zum 10. Juni 2019, also genau über Pfingsten, werden wir unter dem Motto: "Begeistert. Gemeinsam. Gestalten" zusammen feiern. Das Waldorf-Festival begrüßt Menschen aus allen Generationen, Familien, Freunde und Kollegien. Ein buntes- und vielseitiges Rahmenprogramm, bestehend aus Musik, Vorträgen, Arbeitsgruppen, Workshops, Begegnung, Austausch und Verköstigung zieht sich durch die Frühsommertage. Wir wollen dabei innehalten und gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern den Fragen der Zeit auf den Grund gehen und anschließend gestärkt, erfüllt und inspiriert in unseren Alltag zurückkehren.
Tickets und weitere Informationen erhaltet Ihr hier.
Die Welt in unserer Mitte – Ein Fest der Begegnungen
Elf Tage, vom 10. bis zum 21. Juli 2019 ist die Freie Waldorfschule Villingen-Schwenningen am Rande des Schwarzwaldes das Zentrum der Welt und feiert mit Besuchern aus Nah und Fern in Workshops und Projekten aus Kunst, Musik, Kultur, Bewegung, Handwerk und Kulinarischem. Interessierte Waldorfschüler*innen aus aller Welt sind herzlich eingeladen, an diesem Fest der Begegnungen teilzunehmen, sich mit eigenen Ideen einzubringen oder selbst Projekte anzubieten.
Auf dem gesamten Schulgelände und in den Innenstädten der Doppelstadt erschaffen wir mit Eurer Hilfe eine bunte Kulisse. Erlebt elf Tage die internationale Waldorffamilie und lasst Euch inspirieren vom kreativen Potential, das wir gemeinsam gestalten. Wir genießen die Abende und Nächte in Gemeinschaft und campieren auf dem Schulgelände.
- Künstlerische Workshops: Zeichnen, Schnitzen, Aquarellmalen, etc.
- Werkstätten: Steinbildhauen, Schwedenfeuer
- Projekte: Musik, Tanz und Schauspiel
- Kurse: Yoga, Achtsamkeitsübungen und Meditation
- Videochatroom für weltweiten Austausch
- Die Welt zu Gast: Kulinarisches, Sprache und Kultur
Beach Cleaner: Für ein Leben ohne Plastik
Der Planet leidet enorm unter der Plastikmüll-Flut. Die Meere werden von uns Menschen als Müllkippe benutzt. Nicht nur die direkte illegale Müllentsorgung ist das Problem, ein Großteil des Plastikmülls im Meer (80 Prozent!) kommt vom Inland und findet über Flüsse seinen Weg an die Küsten und in den Ozean.
Um hier einen Beitrag zu leisten und dem etwas entgegen zu setzen, hat Anne Mäusbacher in Zusammenarbeit mit der Rudolf Steiner Schule Nürnberg das Projekt Beachcleaner gegründet und gemeinsam wird in Wassernähe Müll gesammelt, um den Zufluss ins Meer etwas zu stoppen. Außerdem informieren die Projektverantwortlichen über Alternativen zu Plastik im täglichen Leben und darüber, wie man Müll von vornherein vermeiden kann, z.B. indem man sein Einkaufsverhalten verändert, getreu dem Waldorf 100-Motto: Learn to change the world!
Hier könnt Ihr mehr über das Projekt lesen.
Hermes Olympische Spiele
Friedensfähigkeit, Toleranz und soziales Gleichgewicht: Seit 20 Jahren setzen sich die Hermes Olympischen Spiele als kulturell-sportliche Veranstaltung dafür ein. Für Waldorf 100 wird nun einen Schritt weiter gegangen!
Zwei Tage Kultur und Sport
Die Hermes Olympischen Spiele entstanden aus der Pädagogik der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz. 2019 wird die Waldorfpädagogik 100 Jahre jung! Auch für uns ist das Jahr 2019 ein Jubiläum: Zum 20. Mal organisieren wir für die fünften Klassen einen unvergesslichen Sporttag. Deshalb wollen wir die zwei Jubiläen zum Anlass nehmen, einen Schritt weiter zu gehen. Alle Teilnehmer*innen werden eingeladen, im Mai 2019 zwei Tage gemeinsam Sport und Kultur zu erleben. Am ersten Tag steht vor allem die Kultur im Vordergrund. Die Schulklassen zeigen sich auf der Freilichtbühne Szenen aus dem Griechischunterricht. Dazu gibt es Musik und Überraschungen. Nach der gemeinsamen Übernachtung in grossen, schönen Chapiteau-Zelten, stehen am zweiten Tag die Hermes Olympischen Spiele an.
Den olympischen Geist weitergeben
Im Altertum hatten während der Spiele alle Waffen zu ruhen. Olympische Spiele waren Zeiten des Friedens, in denen man sich nach sportlichen Regeln maß. Diesen Geist greifen die Hermes Olympischen Spiele auf und geben ihn seit 1999 Jahr für Jahr weiter. Es nehmen jährlich etwa 1.000 Schüler*innen der 5. Klassen aus der ganzen Schweiz und dem benachbarten Ausland teil. An den Spielen treten sie nicht gegeneinander an, sondern messen sich miteinander. Deshalb nehmen auch alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse teil, egal wie stark oder schwach sie sind. Auch behinderte Kinder sind eingeladen.
Brücken bauen
Wir wollen im gemeinsamen Erleben Brücken schaffen, damit die Achtung und das gegenseitige Respektieren spielerisch geübt werden kann. Dies erscheint uns in der heutigen Zeit enorm wichtig. Daher werden bei unseren Anlässen die Kinder aus den verschiedenen Klassen und Schultypen gemischt. Freundschaft, Überwindung der Sprachgrenzen, Sportsgeist mit Fairness, Spielfreude und Sorge für die Umwelt sind uns wichtige Anliegen. Im Jahre 2003 erhielten wir vom Buwal (Schweizerisches Bundesamt für Wald und Landschaft) und Swiss Olympic Prix Ecosport eine Auszeichnung als ökologisch und pädagogisch wertvolle Sportveranstaltung.
Hier erfahrt Ihr mehr über das Projekt, Kontaktperson ist Benjamin Sailer.
Viele weitere tolle Projekte findet Ihr auf der Weltkarte auf unserer Website!
Drei Fragen an... Moises Arcos von der Escuela Nina Pacha in Ecuador
Ein Portrait der höchstgelegenen Waldorfschule der Welt
Ecuadors Hauptstadt Quito fasziniert mit vielen Superlativen: Die abschüssige Landebahn des Flughafens Mariscal Sucre gilt als eine der schwierigsten der Welt, der geschichtlich geprägten Altstadt wurde als erste Stadt der Titel „Weltkulturerbe“ der UNESCO verliehen und mit einer Lage von 2.850 Metern über dem Meeresspiegel ist Quito die höchstgelegene Hauptstadt und die zweithöchstgelegene Stadt der Welt. Kein Wunder also, dass sich in einem der Andentäler Quitos auch die höchstgelegene Waldorfschule finden lässt. Aber wie lehrt und lernt es sich eigentlich in 2.680 Metern Höhe? Davon berichtet Moisés Arcos, Leiter der Nina Pacha Bildungsgemeinschaft (CENIP) in Quito.
Was ist das Besondere an Ihrer Schule und was sind die pädagogischen Schwerpunkte?
Ein wesentlicher Aspekt für uns ist es, dass die Waldorfpädagogik mit den Rhythmen und Erfahrungen der Andenwelt Hand in Hand geht. Deshalb spielt unsere eigene kulturelle Identität eine große Rolle und wir integrieren das, was in der Andenkultur als Dankbarkeit und Verbundenheit mit „Pachamama“ (Mutter Erde) und mit allen anderen Wesen ohnehin lebt und sich auch in der Art der Nahrungsgewinnung zeigt.
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt ist die gelebte Inklusion, bei der Kinder mit Behinderungen oder Lernstörungen vollständig in ihre Klassen integriert sind. Dabei werden sie als große Lehrmeister für die gesamte Gemeinschaft gesehen und von dieser in ihren individuellen Prozessen respektvoll und liebevoll begleitet. Zurzeit besuchen 170 Schüler*innen unsere Schule: 93 Jungs und 77 Mädchen, darunter 14 Kinder mit Behinderungen und 32 Kinder mit Lernschwierigkeiten und 18 Lehrer*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen sind hier tätig.
Ist die Luft „da oben“ nicht recht dünn, um täglich Eurythmie zu machen?
Da unsere Schule in einem Tal liegt, befindet sie sich konkret auf einer Höhe von 2.680 Metern über dem Meeresspiegel und wer das nicht gewöhnt ist, kann schon ab 1.500 Metern erste körperliche Symptome wie Schwindel, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Appetitlosigkeit verspüren. Ab einer Höhe von mehr als 2.100 Metern über dem Meeresspiegel beginnt die Sättigung von Sauerstoff im Blut dramatisch zu sinken und ab 2.500 Metern können sich weitere Anzeichen von Höhenkrankheit zeigen wie Erbrechen und Dehydrierung. Doch der menschliche Körper verfügt über kurz- und langfristige Anpassungsmöglichkeiten, so dass für diejenigen, die aus tiefer gelegenen Regionen kommen, meist nach drei Tagen alles gut läuft. Wir hatten zum Beispiel einmal eine deutsche Eurythmielehrerin zu Besuch, die eine Woche lang täglich eineinhalb Stunden mit Lehrer*innen und Eltern gearbeitet hat: Sowohl für sie als auch für ihre Teilnehmer*innen verlief alles ohne Zwischenfälle. Und für uns, die wir hier dauerhaft leben, gibt es gar keine Probleme mit Sport, Tanz, Eurythmie oder ähnlichem
Wie wollen Sie an Ihrer Schule das 100-jährige Waldorfjubiläum feiern?
Wir wollen eine Wanderung organisieren, um die Waldorfgemeinschaft in Ecuador miteinander zu verbinden. Dabei steht der gemeinsame Weg im Zentrum und die Individualität jeder einzelnen Einrichtung soll respektiert werden. Außerdem planen wir verschiedene Treffen mit anderen Initiativen und Begegnungen mit Menschen, die an der Waldorfpädagogik interessiert sind, um Gemeinsamkeiten zu entdecken. Zum ersten Mal trafen wir uns im Oktober 2018 und haben zusammen Brot gebacken und „Colada morada“ zubereitet, eine typische Süßspeise aus Ecuador, die lilafarben aussieht und aus schwarzem Maismehl und Früchten besteht. Bei einem weiteren Treffen im Dezember 2018 ging es darum, dass jede Initiative ihre Geschichte erzählt und wir uns so noch besser kennenlernen. Im März 2019 wollen wir dann über die Tages-, Wochen-, Monats- und Jahresrhythmen sprechen, die in der Waldorfschule eine Rolle spielen. Schließlich werden wir im September 2019 dann bei uns in Nina Pacha das Jubiläum feiern, indem wir Bäume und einheimische Pflanzen säen und somit unseren Beitrag zur biologischen Vielfalt leisten.
Weitere Informationen
Schulgründung: August 2008
Schülerzahl aus dem Schuljahr 2018/19: 170
Internetseite: www.ninapacha.x10.mx/Escuela.html
Termine
23. - 27. April 2019
Internationale Schülertagung "Courage"
@Jugendsektion am Goetheanum, Dornach, Schweiz
5. - 11. Mai 2019
Internationale Pädagogische Tagung
@Bangkok, Thailand
6.-14. Juli 2019
100 Jahre Erster Lehrerkurs
@Goetheanum, Dornach, Schweiz
Wer Klassenlehrer werden will, muss seinem zweiten Menschen folgen – Pädagogischer Beitrag
Von Claus-Peter Röh (Quelle: Erziehungskunst 01/2014)
»Was macht eigentlich eine gute Lehrerin oder einen guten Lehrer aus?« fragt Claus-Peter Röh, Leiter der Pädagogischen Sektion am Goetheanum
Eine Studentin beendet das Studium in großer Vorfreude auf ihren Wunschberuf, Klassenlehrerin an einer Waldorfschule zu werden. Sechs Monate nach Schulbeginn sagt sie: »Das haben Sie uns im Seminar nicht gesagt: Es ist wirklich ein Vollwaschgang! Kein Tag ist wie der andere und ich weiß manchmal nicht, wie ich standhalten soll. – Aber es ist doch der schönste Beruf.« Auf die Frage, was ihn am meisten beeindruckte, antwortet ein junger Lehrer: »Diese hohe Erwartung der Kinder, die ist ganz real, – sie trägt mich und fordert mich zugleich in jedem Augenblick als Mensch.«
Die Frage »Wie werde ich ein guter Lehrer?« stellen sich junge Kolleginnen und Kollegen bei einem Kolloquium. Zweierlei scheint ihnen wichtig: Eine gute thematische Vorbereitung bildet das Handwerkszeug des Unterrichts. Ob aber das Thema in der Begegnung mit der Klasse auflebt, ob die Schüler sich zuwenden und aus innerem Interesse mit dem Inhalt verbinden können, das hängt davon ab, wie sich der Lehrer als Mensch in die Unterrichtssituation hineinstellt. Als ganzer Mensch muss er in das Geschehen eintauchen und doch zugleich mit kritischem Bewusstsein eine Methode anwenden, die darauf abzielt, die Schüler in ihrer jeweiligen Entwicklungsstufe zu erkennen, herauszufordern und zu fördern. In jedem Unterricht verwandeln sich innere Werte, Ideale, Haltungen und Fähigkeiten in konkrete äußere Handlungen. Umgekehrt kann bei entsprechender Übung das Unterrichtsgeschehen wieder auf die innere Haltung zurückwirken.
Zusammenklang von Erziehung und Selbsterziehung
Je mehr es dem Lehrer gelingt, den Zusammenklang von innerer Einstellung und äußerem Handeln durch Arbeit an sich selbst zu verstärken, um so mehr erlangt er Selbstsicherheit im Auftreten vor der Klasse: Kinder haben ein Gespür für die Fähigkeiten, die sich ihre Erzieher aus eigener Kraft errungen haben. Eine Anekdote, die über Mahatma Gandhi erzählt wird, illustriert diesen Zusammenhang anschaulich: Einer Mutter, die ihn bat, ihrem Kind zu sagen, es solle nicht mehr so viel Süßes essen, sagte er, sie möge in drei Monaten wiederkommen, dann werde er mit ihrem Sohn sprechen. So geschah es. Nachdem er später mit dem Jungen gesprochen hatte, fragte die Mutter, warum er denn für diese einfachen Sätze drei Monaten gebraucht habe? Darauf antwortete er, er habe sich erst selbst die Lust auf Süßigkeiten abgewöhnen müssen.
Gandhi deutet auf ein grundlegendes Gesetz der Erziehung. Was das Kind vom Erwachsenen lernen soll, muss dieser sich erst aus eigener Kraft errungen haben. Auch Rudolf Steiner sprach über dieses Gesetz, wenngleich erheblich differenzierter. Das jeweils höhere Wesensglied des Menschen wirkt nämlich auf das jeweils niedrigere. Das gilt für die Selbsterziehung, aber auch für die Erziehung.
Wesensglieder des Kindes Wirkungsebene des Erziehers
physischer Leib Äther- oder Lebensleib
Äther- oder Lebensleib Astral- oder Empfindungsleib
Astral- oder Empfindungsleib Ich
Ich Geistselbst
Die Gültigkeit dieses Gesetzes zeigt sich im Erziehungsalltag auf vielfältige Weise: Aus Überzeugungen, die ihr Ich gewonnen hat, wirken die Kindergärtner*innen über ihren Astralleib und ihre ätherisch-rhythmischen Lebenskräfte bis hinunter in die Gestaltung des ätherischen-physischen Wachstums: Je stärker die Atmosphäre im Kindergarten von Sicherheit, Achtsamkeit und Vertrautheit durchdrungen ist und die Kinder sich von den Erwachsenen und den Lebensrhythmen getragen fühlen, desto besser können sie dort wachsen und gedeihen.
Verwandeln sich in der Zeit des Zahnwechsels die ätherischen Lebenskräfte des Kindes in neue Gedächtnis-, Phantasie- und Gestaltungsfähigkeiten, so können Klassen- und Fachlehrer diese starken ätherischen Lernkräfte am besten über die Fähigkeiten ihres eigenen Astralleibes erreichen und ausbilden. Das Anstimmen eines Liedes, das Sprechen des Morgenspruchs, das Ergreifen der Bewegung, die Wahrnehmung der Schüler in der jeweiligen Unterrichtssituation, die Anleitung einer schriftlichen Arbeit und das Empfinden der Sprache beim Erzählen: Jede dieser Aktivitäten wird durch den wandelbaren und vom Ich durchdrungenen Astralleib eingeleitet und in ihrer Qualität bestimmt.
Wird später in der Pubertät bei den Schülern die Empfindungskraft des Astralleibes frei, müssen Klassen- und Fachlehrer ihre Haltung ändern: Nun erwarten die Schüler ausgesprochen oder unausgesprochen von der Lehrerin oder dem Lehrer ein stärker wirkendes Ich, sei es in der Gestaltung, sei es in der Aufmerksamkeit. Die Jugendlichen bemerken und spiegeln wachsam, ob und wie der Erwachsene das Schiff des Unterrichts lenkt und wie er auf nicht vorauszusehende Situationen reagiert.
Auf all diesen Wirkungsebenen haben wir als Erzieher einen positiven Einfluss durch die Selbsterziehung: Indem wir als Pädagogen an unserer eigenen Menschwerdung arbeiten, erleben die Schüler uns selbst als Lernende. Die Kraft im heranwachsenden Menschen, die sich aus sich selbst heraus entwickeln will, findet Orientierung und Anregung an dem, was der Lehrer in sich erarbeitet. Auf diese Weise klingen in einem Klassendurchgang von acht Jahren Selbsterziehung und Erziehung zusammen.
Der dänische Waldorfpädagoge Holger Mellerup sagte über die Selbsterziehung des Klassenlehrers: »Wer sich mit den Schülern durch die Jahre weiterentwickelt und auch die stürmischen, herausfordernden Zeiten einer 7. und 8. Klasse durchlebt, erwirbt sich menschliche Kräfte, zum Beispiel des Mutes und der Bescheidenheit, die ihm helfen, in der nächsten 1. Klasse eine geliebte Autorität zu werden.«
Der innere Ratgeber
Betrachtet man die menschliche Biographie vom Gesichtspunkt der Selbsterziehung, kann man eindrucksvolle Entdeckungen machen. Johann Gottlieb Fichte beispielsweise war der Auffassung: »Kein Mensch auf der Erde hat das Recht, seine Kräfte ungebraucht zu lassen und durch fremde Kräfte zu leben. – Alle Kraft des Menschen wird erworben durch Kampf mit sich selbst und Überwindung seiner selbst. – Der Wille ist die einzige Realität.«
Lesen wir bei den Zeitgenossen, wie wortgewaltig Fichte seine Thesen in der Berliner Universität vortrug, wird die äußere Seite dieses »Philosophen des freien Willens« sichtbar. Doch die Quelle dieser äußeren Kraft lag tief in seinem Inneren. Über die Stimme des Gewissens schrieb er: »Auf sie zu hören, ihr redlich und unbefangen ohne Furcht und Klügelei zu gehorchen, dies ist meine einzige Bestimmung, dies ist der ganze Zweck meines Daseins. Mein Leben hört auf, ein leeres Spiel ohne Wahrheit und Bedeutung zu sein.«
Indem Fichte sich »ohne Furcht und Klügelei« dieser inneren Instanz zuwandte, berührte er sein »Geistselbst«. Es steht als zukünftige geistige Kraft – wie ein wachender Engel – noch über dem Ich. Im pädagogischen Alltag macht sich diese äußerlich nicht sichtbare, innerlich aber stark wirkende Kraft bei Schülern und Lehrern deutlich bemerkbar: Ob mitten im Unterrichtsgeschehen, ob unmittelbar nach einer Stunde oder ob in der Rückschau am nächsten Morgen – häufig meldet sich sachlich, liebevoll und unbestechlich eine innere Stimme, die bemerkt, was im eigenen Tun noch anders und besser hätte sein können. Übt sich der Lehrer, diese Stimme, diesen weiseren, höheren Menschen in sich selbst wahrzunehmen und die Erkenntnis der eigenen Unvollkommenheit anzunehmen, dann kann er aus ihr neue Impulse für den Unterricht schöpfen. Rudolf Steiner ermutigte die ersten Waldorflehrer in den Vorträgen zur »Allgemeinen Menschenkunde«, diesen »zweiten Menschen« ernst zu nehmen: »Der Mensch aber, der noch in Ihnen lebt, der zweite Mensch, der entwickelt – allerdings jetzt nicht vorstellungsgemäß, sondern willensgemäß – immer ein deutliches Bild von dem, wie er die Handlung, wenn er noch einmal in derselben Lage wäre, ausführen würde. Unterschätzen sie überhaupt nicht diesen zweiten Menschen, der in Ihnen lebt.«
Die Balance zwischen innerer und äußerer Aufmerksamkeit
Der Lehrer kann auf verschiedene Weise versuchen, diesen inneren Menschen wahrzunehmen. Wird zum Beispiel die Rückschau auf das Unterrichtsgeschehen und das eigene Handeln zur guten Gewohnheit, so können aus ihr neue Impulse und Vorsätze für den nächsten Unterricht entstehen. Eine weitere Steigerung ist die Meditation: Sich aus eigenem Entschluss und eigener Kraft für einen Augenblick des Tages ganz auf einen Gedanken zu richten, braucht am Anfang eine große Überwindung und Anstrengung. Nach längerer Übung kann dabei aber immer stärker eine innere Kraft erlebt werden, die uns bei der Konzentration unterstützt. Je mehr sich die Meditation selbst trägt, desto freier kann sich die Aufmerksamkeit dann auf den bildlichen oder sprachlichen Inhalt richten und darin vertiefen.
Eine solche Konzentration zeitigt eine anfangs überraschende Folge für die Begegnungen mit dem äußeren Geschehen im Alltag: Die Freude an der Wahrnehmung dieses äußeren Geschehens wächst. Das Interesse nimmt zu, wie eine Schülerin eine künstlerische Arbeit individuell gestaltet, wie ein Schüler eine eigene Fragestellung formuliert oder in welcher Atmosphäre die Klasse eine neue Schilderung aufnimmt. Aus einer solchen Pendelbewegung zwischen Innen und Außen bildet sich – bei aller Ungewissheit und Sorge – eine zunehmende Vorfreude auf die Geschehnisse des nächsten Unterrichts.
Regisseure dieser schöpferischen Balance sind die Lehrerin und der Lehrer, die am Zusammenklang von Erziehung und Selbsterziehung arbeiten.
Literatur:
R. Steiner: Heilpädagogischer Kurs, GA 317, 2. Vortrag, Dornach 1985
R. Steiner: Allgemeine Menschkunde, GA 293, 4. Vortrag, Dornach 1992
J.G. Fichte: Die Bestimmung des Menschen, Hamburg 1979
Zum Autor: Claus-Peter Röh war 28 Jahre Klassen-, Musik- und Religionslehrer an der Freien Waldorfschule Flensburg; heute leitet er zusammen mit Florian Osswald die Pädagogische Sektion am Goetheanum in Dornach.