Newsletter Juli 2018
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Liebe Freunde in nah und fern,
wir freuen uns, Euch nun kurz vor der Sommerpause (auf der Nordhalbkugel) beziehungsweise vor den Winterferien (auf der Südhalbkugel) wieder einen Newsletter zukommen lassen zu können. Darin möchten wir Euch heute als erstes darüber informieren, dass es zu unserem Herzensprojekt „Bees & Trees“ nun eine „Handreichung für Schulen und Kindergärten“ gibt, die auf Englisch und Spanisch sowohl als PDF zum Herunterladen verfügbar ist als auch in Form einer gedruckten Broschüre bestellt werden kann.
Darüber hinaus erfahrt Ihr Neues von unserem Kernprojekt „Metamorphosen“ und dem Schulprojekt der Freien Waldorfschule Greifswald, die als Beitrag zum Waldorf 100-Staffellauf mit einem selbst gebauten Drachenboot von Greifswald bis Berlin paddeln werden. Dort wollen sie pünktlich zu unserem großen Abschlussfestival am 19. September 2019 im Tempodrom auf der Spree angefahren kommen, wir freuen uns schon darauf!
Wenn auch Ihr von spannenden Waldorf 100-Aktionen an Euren Schulen oder Kindergärten wisst, dann erzählt uns davon und reicht sie als Projekt ein, wir stellen sie dann als „Project“ auf der Weltkarte ein.
Weiterhin viel Ideenreichtum, Inspiration und vor allem Mut, um die Waldorfpädagogik noch weiter in die Welt zu tragen, wünscht Euch Euer
Waldorf 100-Team!
Kernprojekte – Kompositionen „Metamorphosen“
Die Idee: Hochschulstudierende von einigen der besten Musikhochschulen der Welt schicken uns Kompositionen, die kurz, schön, anspruchsvoll und für Schulorchester spielbar sind. Von diesen sucht eine Jury unter Leitung des Präsidenten der Hochschule für Musik und Theater Hamburg‚ Prof. Elmar Lampson, die besten aus und die stehen den Waldorfschulorchestern rund um die Welt bis Ende 2019 frei zur Verfügung.
Aus vielen wunderbaren Einsendungen wurde das anspruchsvolle Stück für großes Orchester „Procession-Contraction: Metamorphosis“ von Haihui Zhang ausgewählt. Haihui Zhang stammt aus Schanghai und studiert an der Manhatten School of Music.
Als zweites Werk wurde das leichter zu spielende Stück „Village“ für Streichorchester und Holzblässer von Xu Weizun (englischer Name: Franco) vom Shanghai Conservatory of Music ausgewählt. Beide Werke werden Anfang des Schuljahres 2018-2019 über die Website zum Abruf verfügbar sein.
Gerne nehmen wir auch andere Kompositionen aus dem Umfeld der Waldorfschulen entgegen, sofern wir sie bis Ende 2020 auf unserer Webseite frei zur Verfügung stellen dürfen. (HKU)
Über Haihui Zhang
Haihui wurde in Wuhan, China geboren. Seit ihrem 4. Lebensjahr lernte sie Klavier und Komposition bei ihrem Vater. Sie besuchte die Music Middle School des Shanghaier Musikkonservatoriums und studierte Komposition bei Professor Ying Dind. Später studierte sie zudem Klavier bei den Professoren Qing Wang, Ting Zhou und Xiangjun Yu. 2016 wurde sie an der Manhattan School of Music angenommen, wo sie heute das Fach Komposition bei Dr. Reiko Fueting belegt. Sowohl als Komponistin als auch als Pianistin hat Haihui Zhang bereits zahlreiche Preise und Stipendien gewonnen. Ihre Werke wurden bereits in Shanghai, Guangxi, Nanjing und New York aufgeführt. Über den Waldorf 100-Kompositionswettbewerb hat sie von Freunden gehört, die in Eurpoa studieren. Es ist ihr erster Kontakt mit der Waldorfpädagogik.
Schulprojekte – Waldorf bewegt auch gegen den Strom: Mit dem Drachenboot von Greifswald nach Berlin
Seit 2007 ist die Freie Waldorfschule Greifswald vom Drachenbootfieber befallen. Es ist ein toller Teamsport, der körperlichen Einsatz, Rhythmusgefühl und ein gutes Zusammenspiel aller Beteiligten verlangt. Auf zehn Bankreihen sitzen jeweils zwei Jungen oder Mädchen nebeneinander, tauchen ihre Paddel gleichmäßig ein und ziehen nach Kräften durch, um das zwei Tonnen schwere Boot durchs Wasser zu bewegen. Hinten steht der Steuermann am Ruder und sorgt für den richtigen Kurs; vorn gibt die Trommlerin den Takt an. Die Wettkampfstrecke in hohem Tempo zu bewältigen erfordert nicht nur Kraft, sondern auch Willen – und natürlich gute Koordination aller Bewegungen, denn der gemeinsame Rhythmus macht das Schwere viel leichter.
Dass wir Meister der Kurzstrecke sind wissen wir schon, und davon künden auch die vielen Pokale, die unsere Teams bei den lokalen, regionalen und deutschen Drachenbootmeisterschaften errungen haben. Aber jetzt haben wir uns eine neue Herausforderung vorgenommen. Nächstes Jahr steht das hundertjährige Jubiläum der Waldorfschulen an. Und zur Abschlussveranstaltung der Feierlichkeiten im Berliner Tempodrom wird die Freie Waldorfschule Greifswald im Drachenboot anreisen: Pünktlich zum 19. September 2019 treffen wir auf dem Seeweg in der Hauptstadt ein! Etwa 190 Schüler*innen und Lehrer*innen werden in neun Teams sechs Tage lang nonstop paddeln. Start ist auf dem Greifswalder Ryck. Dann geht es weiter über den Bodden, den Peenestrom, durchs Oderhaff, über die Oder und Havel bis zur Spree. Das sind etwa 400 Kilometer, die uns alle Kräfte abverlangen werden – dazu die Bereitschaft, vom begleitenden Dampfer aus auf fließendem Gewässer ins Drachenboot zu wechseln, Schiffshebewerke und Schleusen gelassen zu passieren, bei Regen und Wind nicht zu verzagen, Wellen und (Gegen-) Strömung zu bezwingen, morgens und abends in der Dämmerung auf dem Wasser zu sein... Wenn wir am 19. September das Tempodrom erreichen, dann werden wir wissen, was „Durchhalten“ bedeutet! Die Vorbereitungen haben begonnen. Jetzt, mit Beginn der Drachenbootsaison, verbreitet sich die Idee in der ganzen Schule – und alle sind begeistert. Wer wollte nicht beitragen zu dieser ganz besonderen Reise?
Anne Wolf
Drei Fragen an... Nita June Davanzo
Nita June Davanzo – Waldorf 100-Interims-Direktorin, Association of Waldorf Schools of North America (AWSNA)
Meine Aufgabe ist es, die Aktivitäten und die Sichtbarkeit der Feierlichkeiten im Rahmen von Waldorf 100 für unsere Mitglieder, die Gemeinschaft und die Öffentlichkeit zu fördern und zwar durch Marketing und Veröffentlichungen, Öffentlichkeitsarbeit, Medien- und Lobbyarbeit, durch die Beschaffung von Mitteln zur Unterstützung strategischer Initiativen sowie durch die Unterstützung von Schulen bei ihren individuellen und gemeinschaftlichen Waldorf-100-Aktivitäten.
Kontakt: waldorf100@awsna.org
Website: www.waldorfeducation.org
Wie geht es den Waldorfschulen in Ihrem Land?
Es geht ihnen gut! Die Waldorfschulen in den USA tanken gegenwärtig Energie und kommen zunehmend in Schwung, was Projekte und Feierlichkeiten für Waldorf 100 betrifft. Zu den laufenden Projekten gehören unter anderem:
Das GreenBee Wildlife Web
Überall auf der Welt pflanzen Schüler und Gemeinschaften Bäume und begründen Bienenzuchtprogramme sowie Bestäubungsgärten. In Nordamerika freut sich der AWSNA darauf, mit Gunther Hauk vom Spikenard Farm Honey Bee Sanctuary, Richard Louv, dem Autor von „Das letzte Kind im Wald?“, The Children and Nature Network, Green Schoolyards America und der Campaign for Commercial-Free Childhood zusammenzuarbeiten, um in Hinterhöfen, auf Spielplätzen, Schulhöfen und in öffentlichen Räumen ein neues, ökologisches und grünes „kontinentales Parksystem“ zu erschaffen – Grünflächen, entwickelt unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Vögeln, Insekten, Bienen, Schmetterlingen, Gottesanbeterinnen sowie der Biodiversität, wodurch ein Nahrungsnetzwerk für einheimische Arten und Wildtiere entsteht. Stellen Sie sich das auf einer Landkarte vor!
Ein kontinentales Alumni-Netzwerk
In der heutigen global vernetzten Welt haben wir dank des neu gegründeten Alumni-Netzwerks die einmalige Gelegenheit, die Erfolge der Waldorf-Alumni zu feiern, ihre Bedürfnisse und Aktivitäten zu unterstützen sowie die Gemeinschaft zu erhalten und zu pflegen. Dieses Netzwerk bietet Alumni die Möglichkeit, sich untereinander sowie innerhalb ihrer Schulgemeinschaften und der Waldorfgemeinschaften aller Altersgruppen auf dem ganzen Kontinent zu unterstützen, anzuleiten und miteinander in Kontakt zu treten.
Helfende Hände: Kinder helfen Kindern
Indem wir Freundlichkeit und Dienst an der Welt praktizieren, vertiefen wir unser Verständnis für den anderen, die Bedeutung der Gemeinschaft und dafür, wie unser Handeln mit dem Wohlergehen der Menschheit zusammenhängt. Waldorfschüler und Mitglieder der Waldorfgemeinschaften engagieren sich großherzig und im Sinne des Dienstes an anderen gerne für Kinder in Not, in ihren Gemeinden vor Ort und auf der ganzen Welt.
Millionenfacher weltweiter Postkartenaustausch
Schülerinnen und Schüler aus 1.100 Waldorfschulen in über 80 Ländern schicken Postkarten an jede andere Waldorfschule der Welt. Jede Postkarte wird von einem jungen Menschen individuell gestaltet, der etwas von seinem Land, seiner Schule oder sich selbst erzählt oder zeigt.
Welche besonderen Pläne hat Ihre Schule bereits für das 100-jährige Waldorfjubiläum?
Jede Schule gestaltet eine einzigartige und individuelle Feier für sich und ihre Gemeinschaft.
Was ist für Sie persönlich das Essenzielle der Waldorfpädagogik?
Für mich geht es in der Waldorfpädagogik darum, das ganze Wesen eines Menschen zu erkennen, zu fördern und zu stärken, so dass er zu voller und strahlender Blüte heranwachsen kann.
Termine
28. - 30. September 2018
Kongress "Mensch werden" @Rudolf-Steiner-Schule Nürnberg, Deutschland
12. - 18. April 2019
Internationale Oberstufentagung @Lehrerseminar für Waldorfpädagogik, Kassel, Deutschland
15. - 19. April 2019
Welterziehertagung @Goetheanum, Dornach, Schweiz
Waldorf: Bildung „im Schongarverfahren“
Alle Eltern kennen das – einen anstrengenden Tag lang mit hungrigen Kindern unterwegs zu sein. Die Vorteile von Fast Food liegen auf der Hand und auf den ersten Blick ist das Ergebnis ja auch das Gleiche wie bei einem selbstgekochten Essen: volle Bäuche.
Was ist das polare Gegenstück zu Fast Food? Eine langsam gekochte Mahlzeit. Mit genügend Zeit ist eine hausgemachte Mahlzeit für jede Familie wunderbar. Die Kinder lernen bei der Zubereitung etwas fürs Leben und durch ihre aktive Mitarbeit auch, das Gemüse zu schätzen. Familiäre Werte wie Verbundenheit, Nachhaltigkeit und Gesundheit werden gefördert. Während der Vorbereitungen wächst die Wertschätzung für das selbst Gekochte, während der Garzeit entfaltet sich das volle Geschmackspotenzial und die Lebensmittel behalten ihre Lebendigkeit - im Gegensatz zu der harten und trockenen Konsistenz von Fertiggerichten. Das Dreigestirn von Erfahrungen, Werten und Zeit fördert das Familienleben langfristig.
Wie würden Sie sich, so betrachtet, fühlen, wenn die Erziehung Ihres Kindes einer Mikrowellen- oder Drive-in-Mahlzeit gliche? Wahrscheinlich kämen Verdauungsstörungen heraus. Das Besondere einer langsam zubereiteten Mahlzeit – Erfahrung, Werte und Zeit – gilt auch für die Waldorfpädagogik, deren Augenmerk auf dem Prozess des Lernens liegt.
Erfahrung: Die wahre Natur des Kindes wird durch die Einbeziehung seiner Gliedmaßen und seines Herzens in das wirkliche Leben berücksichtigt; die Anregung der Sinne als Vorstufe der intellektuellen Verarbeitung der Vorgänge fördert die Begriffsbildung.
Werte: Da das Lernen ein Erfahrungslernen ist, können Lehrer nicht alles planen; sie müssen Raum schaffen, damit die Kinder ihre Lernerfahrungen in der Begegnung mitgestalten können. Der Lehrplan legt den Schwerpunkt auf mündliches Erzählen und die Künste, wodurch die sozial-emotionale Intelligenz gefördert wird. Das Klassenzimmer wird zum mikrokosmischen Modell für soziale Gesundheit.
Zeit: Um Erfahrungen und Werte zu vermitteln, berücksichtigt der Lehrer sorgsam verschiedene Rhythmen, die tiefergehende Lernerfahrungen ermöglichen. Lernen ist etwas Persönliches und Sinnhaftes, nichts Verhärtetes und Vertrocknetes. Das volle Potenzial des Lernens entfaltet sich, wenn statt eines standardisierten Curriculums Neugierde und Entdeckergeist gefördert werden. Die Waldorfpädagogik besteht aus einer Vielzahl von Rhythmen: Dem Auf und Ab innerhalb jeder Unterrichtseinheit, der allmählichen Entfaltung der Erkenntnisse über drei Tage und den vielfältigen methodischen Zugängen zum Stoff innerhalb einer Epoche , die in der Regel etwa einen Monat dauert. Zusätzlich werden auch die jahreszeitliche Rhythmen berücksichtigt.
Als Gegenpol zur schnelllebigen Welt gibt es ein wachsendes kulturelles Interesse an einer ausgleichenden „langsamen Erziehung“. Waldorfpädagogik arbeitet seit hundert Jahren nach den Kernprinzipien einer langsam, im Schongarverfahren gekochten Mahlzeit, allerdings nicht bloß als trendige Mode, sondern als Würdigung des kindlichen Wesens, damit es seine ganz eigenen Fähigkeiten entfalten und der Welt schenken kann.
Die Cedar Bridge School liegt zwischen Bauernhöfen und Wald und bringt die Waldorfpädagogik in das Okanagan Valley (Kanada). In einer Umgebung der Ehrfurcht und des Staunens versuchen wir, das volle Potential jedes Kindes zur Entfaltung zu bringen, damit es ein mutiges, zielgerichtetes und freies Leben führen kann. Indem wir sinnvolle Beziehungen zu Gemeinschaft und Umwelt herstellen, tragen wir zu einem positiven sozialen und ökologischen Wandel bei.
Robyn Bonnycastle (4./5. Klasslehrer, Cedar Bridge School, Kanada), freie Übersetzung